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Kleidung, Gesichtsbemalung und Riten

In der Darstellung von Kindersoldat*innen in Filmen gibt es häufig eine Art „Voyeurismus des Exotischen” (MARTENS 2013: 439). In zahlreichen Filmen werden die Besonderheiten ‚afrikanischer’ Kulturen anhand von traditioneller Kleidung, Accessoires und Gesichtsbemalungen hervorgehoben. Diese Sichtweise ist deutlich westlich geprägt, wie sich beispielsweise in Beasts of No Nation zeigt. Der Kindersoldat Agu trägt die gesamte Filmhandlung über dieselbe beigefarbene Leinenkleidung und dieselbe mit Muscheln und Blättern verzierte Mütze.

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Beide Kleidungsstücke wurden scheinbar notdürftig aus Altkleidern und allem in der Umwelt ‚Auffindbaren’ recycelt und zusammengestellt. Gemeinsam mit den Muschelketten, die fast alle Kindersoldaten im Film tragen, verstärkt sich der Eindruck eines naturnahen und zugleich ‚wilden’ und ‚unzivilisierten Afrikas’ (Link zur Szene).

 

Ferner werden durch die Darstellung als passive Opfer umfassende soziale Strukturen „unbeabsichtigt pathologisiert [...], [die] Kinder so darstellen, als ob sie aus ihrer Gemeinschaft, aus ihrer Kultur und aus ihren Familien gerettet werden müssen” (STEINL 2017: 12).

Beasts of No Nation (FUKUNAGA 2015: 49:04)

Auch durch die Stereotypisierung von Riten wird ein spezifisches irrationales und fremdes Bild von Afrika vermittelt, in welchem Kindersoldat*innen - wie ihre erwachsenen Vorfahren - mit grausamen und ‚nicht-westlichen’ Praktiken in Verbindung gebracht werden. Zu diesen Praktiken zählen unter anderem Voodoo, Hexerei und sogar Kannibalismus.

 

Ein Beispiel für eine solche filmische Repräsentation findet sich in El cuaderno de Sara. Am Ende des Filmes nehmen die Kindersoldat*innen an einem traditionellen Ritus teil, für welchen sie sich die Gesichter - in Analogie zu Geistern - weiß bemalt haben. Im Wechselschnitt mit den Aussagen der weißen Protagonistin Laura, die die Zukunft der ‚afrikanischen’ Kindersoldat*innen als verloren ansieht („Was werden diese Jungen hier lernen? Zu hassen und zu töten.”), wird für das westliche Publikum ein Klima der Angst und Befremdung erzeugt.

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El cuaderno de Sara (LÓPEZ AMADO 2018: 01:36:05)

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Rebelle (NGUYEN 2012: 34:50)

Als weiteres Beispiel für außerweltliche Erfahrungen ist der Film Rebelle zu nennen. Die Hauptprotagonistin, Kindersoldatin Komona, sieht in mehreren Szenen Geister, deren Erscheinung höchstwahrscheinlich auf Drogen zurückzuführen ist, die ihr zwangsweise verabreicht worden: „When we take the magic milk from the tree, we can see things.” Zwei der Geister sind ihre Eltern, die sie unter Zwang der bewaffneten Gruppe ermorden musste, und welche sie seither verfolgen.

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Filmregisseur Kim Nguyen sagte in einem Interview: „The magic is just something that is omnipresent in the areas I’ve gone to, whether it be Cameroon or the Congo there’s just a complete integration of magic in everyday life.”

Ergänzend dazu muss erwähnt werden, dass zunehmend mehr Spielfilme eine postkoloniale Perspektive einnehmen. Insbesondere westliche Produktionen versuchen, den hegemonialen Diskurs zu dekonstruieren, indem sie nicht-westliche Kindersoldat*innen als komplexe Charaktere mit multiplen - auch skrupellosen - Identitäten abbilden.

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