Was Geschieht mit Ex-Kindersoldat*innen?
Post-Konflikt-Erfahrungen von ehemaligen Kindersoldat*innen sind oftmals durch Stigmatisierung und Ablehnung geprägt. Einige Ex-Kindersoldat*innen, welche in ihren Heimatort zurückkehren, treffen dort beispielsweise auf Zurückweisungen, da die dortigen Bewohner*innen ihnen gegenüber Gefühle der Angst, des Kummers, der Wut und der Rache entgegenbringen. Diese Gefühle sind nicht unbegründet, denn um sich als Kindersoldat*in zu beweisen, müssen sich die betroffenen Kinder an Plünderungen, Vergewaltigungen, Folterungen und Ermordungen beteiligen - sogar an der eigenen Gemeinschaft oder Familie.
Gerade die Widersprüchlichkeiten zwischen den Moralvorstellungen der bewaffneten Gruppe und der Herkunftskultur können zu einer starken Belastung von ehemaligen Kindersoldat*innen werden. Das Ziel muss es deshalb sein, sich mit sich selbst versöhnen zu können und psychisch vollständig zu rehabilitieren, egal wie grauenvoll die begangenen Taten waren. Essentiell dafür ist ein starkes gemeinschaftliches Netzwerk, welches den/die Ex-Kindersoldat*in auffängt. Sonst droht in den häufigsten Fällen eine Re-Rekrutierung, sprich: eine Rückkehr zur bewaffneten Gruppe.
In der filmischen Repräsentation werden die inneren und äußeren Konflikte von Ex-Kindersoldat*innen nur am Rande thematisiert, da der Fokus für gewöhnlich auf der Rekrutierung und dem aktiven Dasein als Kindersoldat*innen liegt. Auch die typischen Filmenden geben nur wenig Auskunft über die Zukunft der betroffenen Protagonist*innen: Entweder werden die Kindersoldat*innen von den White Saviors befreit (zum Beispiel in Machine Gun Preacher), sie flüchten (zum Beispiel in Feuerherz) oder sie kehren von allein zurück in ihre Heimat, wobei der Ausgang hierbei zumeist ungewiss ist (zum Beispiel in Rebelle). Einige wenige filmische Ausnahmen sind Ezra und Beasts of No Nation.
Frage nach der Verantwortung
Im internationalen Rechtsdiskurs gestaltet sich die Opfer-Täter-Frage bei ehemaligen Kindersoldat*innen als durchaus schwierig, insbesondere wenn die Kinder in sehr jungen Jahren zwangsrekrutiert wurden. In solchen Fällen wird für gewöhnlich die Schuldfrage vollständig auf den erwachsenen Entführer, Rekrutierer oder Kommandeur übertragen.
Ferner werden Kinder unter 15 Jahren im internationalen Recht als nicht strafmündig eingestuft, mit der Begründung, dass es ihnen an der Fertigkeit mangelt, die Folgen ihrer Entscheidungen rational abzuwägen. Das Übernehmen einer Verantwortlichkeit für die eigenen Taten kann jedoch auch im Interesse des Kindes liegen. Die Bestrafung muss dabei nicht in Form von Gefängnisstrafen erfolgen, sondern es können auch alternative Rechtsverfahren zur Anwendung kommen, beispielsweise die sogenannten „Wahrheits- und Versöhnungskommissionen”. Sie dienen dazu, dass sich die ehemals feindseligen Rechtsparteien aussprechen, wodurch der Aufbau einer friedlichen und gerechten Gesellschaft vorangebracht und der Status von Kindern als Rechtsinhaber*in gestärkt werden soll.
Im Film Ezra wird in Rückblenden die Geschichte des gleichnamigen Kindersoldaten dargestellt, angefangen bei seiner Entführung als Zehnjähriger. Dieser sagt in der filmischen Gegenwartszeit vor einer Wahrheits- und Versöhnungskommission der Vereinten Nationen aus, um sich unter anderem für den Mord an seinen Eltern und den Überfall auf sein Heimatdorf, bei dem seiner Schwester die Zunge herausgeschnitten wurde, zu verantworten. Problematisch an Ezras Ausführungen ist, dass er sich aufgrund der Verabreichung von Drogen nicht an seine illegitimen Taten als Kämpfer erinnern kann. Wie dem Protagonisten geht es zahlreichen realen Ex-Kindersoldat*innen, die ihre erlebten Traumata entweder vergessen oder verdrängt haben.
Ezra (ADUAKA 2008: 17:54)
SelbSTsicht der EX-Kindersoldat*innen
Schlussendlich sollte auch betrachtet werden, wie die Kinder selbst ihre Zeit als Soldat*innen empfinden. So berichten einige Ex-Kindersoldat*innen beispielsweise, dass sie gelernt haben, ihre Meinung zu äußern und sich durchzusetzen. Die Zeit habe sie stärker und selbstbewusster gemacht. Sie haben eine Bildung erhalten, (ökonomische) Selbstständigkeit erlernt und Wissen über bestimmte geografische Regionen, technische Fertigkeiten und Überlebenstechniken angesammelt.
Eine Ex-Kindersoldatin beschrieb diese persönliche Veränderung - und gleichzeitig die Schrecken des Kindersoldat*innen-Daseins - wie folgt:
„I see myself as a warrior because I was a brave fighter… I am a hero because I managed to survive so many times in combat … I’m a victim because I have two children [born of rape] and I’m finding difficult to take care of them … but I’m a survivor because I’m able to withstand all the challenges.” (DENOV 2012: 289)
Auch in Beasts of No Nation wird die Selbstsicht eines ehemaligen Kindersoldaten abgebildet. Der Hauptprotagonist Agus, der von der Native Defence Force (NDF) zwangsrekrutiert wurde, wird den Zuschauer*innen in einer der finalen Szenen bei einem Therapiegespräch in einer Rehabilitationseinrichtung gezeigt. Obwohl sich der Junge anfänglich vor Aussagen zu seiner Zeit als Kindersoldat scheut, öffnet er sich langsam und beginnt, über seine Kindheit zu sprechen. Deutlich wird dabei, dass Agus Scheu vor allem in der Angst begründet liegt, dass Andere ihn missverstehen und als Untier - im Original „Beast” - betrachten könnten: